Es gibt wohl kaum eine Frage, die so schwer zu beantworten ist wie diese: „Wer bin ich?” Der Philosoph Richard David Precht stellt zu Recht die Zusatzfrage: „und wenn ja, wie viele?”. Unsere Identität setzt sich aus sehr vielen unterschiedlichen Facetten zusammen, die zudem von unserer subjektiven Wahrnehmung abhängig sind. Das macht eine objektive Antwort auf die Frage nach unserer eigenen Identität so schwierig. Allerdings können wir ein Gesamtkonstrukt aus unseren Erfahrungen und Werten bilden, unser Selbstverständnis im Laufe unseres Lebens entwickeln, es definieren und nach außen verkörpern.
Besonders Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, die im wörtlichen sowie übertragenen Sinn ihr Gesicht zeigen, müssen sich gezielt mit der eigenen Identität und wie man diese nach außen trägt auseinandersetzen. Nicht nur einmal, sondern immer wieder aufs Neue. Das steht häufig im Widerspruch zu unserem natürlichen Impuls, sich lieber verstecken zu wollen oder eventuell unangenehmen Wahrheiten über das eigene Ich auszuweichen. Als Unternehmensberater und Experte für Identität weiß ich jedoch, wie sehr es sich lohnt, auf individuelle Entdeckungsreise zu gehen und die eigene Identität öffentlich zu zeigen – persönlich sowie beruflich ein Erfolgsrezept.
Reputationsmanagement zur gezielten Gestaltung der Identität
“Die Reputation ist einer der wichtigsten Werte des Unternehmens” – das sagen neun von zehn befragten Topmanagern.
Quelle: “Vordenker im Reputationsmanagement. Die 10 entscheidenden Erfolgsfaktoren für (Kommunikations-) Manager: Reputation strategisch planen und steuern” von Dr. Roland Heintze und Jörg Forthmann
In meiner Tätigkeit als Berater begegne ich immer wieder CEOs, Managern oder Unternehmern, die sich fragen, ob und vor allem wie sie öffentlich auftreten sollen. Ihnen ist klar, dass die Reputation eines Unternehmens und die Reputation einer Persönlichkeit eng miteinander verknüpft sind. In Zeiten der Digitalisierung erwarten Kunden, Mitarbeiter und potenzielle Bewerber ein ansprechendes und aussagekräftiges Auftreten von Führungskräften in der Öffentlichkeit, das auch die Nutzung moderner Kommunikationskanäle miteinschließt.
Umso wichtiger ist es, sich mit Experten für Reputationsmanagement über die Vorteile eines öffentlichkeitswirksamen und individuell zugeschnittenen Auftritts Klarheit zu verschaffen. Denn es lohnt sich, aus dem Schatten zu treten und öffentlich Position zu beziehen. Für einen der gelungensten Auftritte in der Öffentlichkeit der letzten Zeit halte ich den von Karl-Thomas Neumann. Der CEO von Opel zeigt, was es bedeutet, ein Social-CEO zu sein:
Das sind die Voraussetzungen, um sich öffentlich zu positionieren
Bevor ich mich als Persönlichkeit öffentlich positionieren kann, muss ich mich selbst vielen, zum Teil unbequemen, Fragen stellen: Wer bin ich? Welche Werte und welche Ziele habe ich? Welche Motivation habe ich für mein Handeln? Was kann ich? Was biete ich? Was ist mein persönlicher Stil? Wen möchte ich erreichen und wie schaffe ich das? Was ist meine Botschaft und was macht mich zu einem glaubwürdigen Botschafter? Welchen Mehrwert biete ich meinen Followern? An all diese Fragen schließt sich die entscheidende Frage an: Was von all meinen Antworten auf diese Fragen teile ich in der Öffentlichkeit mit?
All diese Fragen werfen uns auf uns selbst zurück, es handelt sich also um reflexive Fragen. Wie es ohne die Hilfe eines Spiegels oder eines anderen Mediums nicht möglich, sich selbst zu sehen und sich selbst zu erkennen, benötigen Menschen oder Unternehmen, die zu einer Identität gelangen möchten, ein Gegenüber. Für die Entwicklung einer Identität eine gute Begleitung durch entsprechende Experten.
Die Vorteile einer exponierte Darstellung
Seine eigene Identität zu finden ist kein bloßer Selbstzweck. Vielmehr ist es für Unternehmen und ihre Führungskräfte sinnvoll, nach der eigenen Identität zu fragen, weil dadurch Klarheit entsteht. Klarheit führt zu Orientierung und besseren Führung, was sich sowohl positiv auf die eigenen Mitarbeiter auswirkt als auch potenzielle Bewerber anspricht. Wenn eine exponierte Darstellung der eigenen Identität souverän gelingt, kann daraus Attraktivität entstehen. Diese Attraktivität führt zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit und wirken auf die Kunden eines Unternehmens.
Persönlichkeiten, die öffentlichkeitswirksam auftreten werden darüber hinaus zu einem Vorbild. Im besten Fall machen sie die Welt damit ein Stück weit besser, weil sie andere Menschen inspirieren und diese sich an der Gestaltungskraft und dem Unternehmertum beziehungsweise der Führung ein Beispiel nehmen und selbst etwas Großartiges auf die Beine stellen.
Nicht zuletzt findet die Identitätsfindung ihren Sinn darin, die eigene Entwicklung voranzutreiben. Um die eigene Identität zu finden, bedarf es der Reflektion. Diese führt zu geistiger Klarheit und stellt damit eine Chance zur Selbst-Meisterschaft dar.
Herausforderungen eines öffentlichen Auftritts
Natürlich sind mit einem selbstbewussten öffentlichen Auftritt auch Herausforderungen verbunden. Jeder, der öffentlich eine starke Meinung vertritt, wird Gegenmeinungen auf den Plan rufen. Doch ich weiß, dass man mit diesem Gegenwind ebenso souverän umgehen kann wie mit dem eigenen Auftreten. Denn Identität schafft Souveränität. Entsprechend ist es keine Option, lieber den Kopf einzuziehen und sich opportunistisch in der Masse zu verstecken. Es lohnt sich, aus dem Schatten der Vielen zu treten und sein Gesicht zu zeigen. Das bedeutet, Führung zu übernehmen, seine Positionen zu vertreten und wenn nötig dafür einzustehen.
Wie gelange ich zu einer Identität?
In den vielen Jahren als Identitäts-Coach bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass man eine Identität nicht einfach hat. Identität ist nichts Naturgegebenes, sondern das Ergebnis eines Prozesses. Anders ausgedrückt: Identität ist ein Werden. Eine Persönlichkeit nennen wir eine Person, die diesen Prozess vollzieht und zu einer Identität gelangt ist, die sie nach außen präsentieren kann. Diesen Umstand machen sich Branding-Experten schon seit geraumer Zeit zunutze. Sie wissen, dass beispielsweise einer Marke eine tief verwurzelte DNA benötigt, um auch einmal eine Krise zu überstehen.
Allerdings sollten Personal Branding, Public Relations und Reputationsmanagement nicht als Krisenmanagement missverstanden werden. Ich halte sie vielmehr für einen Grundbestandteil von Unternehmen, Organisationen und Persönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit optimal wahrgenommen werden wollen. Diese Wahrnehmung nicht dem Zufall zu überlassen, sondern sie bewusst zu gestalten, halte ich heute, im Zeitalter der Digitalisierung und der Social Media, für essenziell. Insbesondere in Deutschland sehe ich hier im internationalen Vergleich immer noch Nachholbedarf, denn zu viele CEOs, Manager und Unternehmer zögern noch zu sehr, ihre Persönlichkeit nach außen zu tragen und moderne Kommunikationswege auszuprobieren. Doch auch hier gilt: Mehr Identität wagen heißt, sich selbst als Persönlichkeit bewusst zu werden. Wem dies gelingt, der kann „selbstbewusst” und authentisch auftreten und seine Meinung vertreten.
Es lohnt sich, seine Persönlichkeit öffentlich zu präsentieren
Ich bin überzeugt, dass nur Persönlichkeiten mit starker Identität eine Wirkung in der Welt erzielen, etwas bewegen, etwas verändern. Unternehmer müssen heute Gestalter sein, um Menschen zu bewegen. Darum ist es notwendig klare Positionen zu beziehen und sich nicht hinter der Beliebigkeit zu verstecken. Starke Persönlichkeiten übertragen ihre Begeisterung auf ihre Mitmenschen, sie können andere mitreißen, während sie selbst dabei immer in Balance bleiben. Identität ist nicht nur die Kür, sondern die essentielle Grundlage für den Erfolg. Es heißt sein oder nicht sein.