Change Management: Die richtige Einstellung zum Unveränderbaren

Change Management: Die richtige Einstellung zum Unveränderbaren

Ob ich möchte oder nicht – fast immer, wenn ich von Change Management Projekten höre oder darüber lese, sehe ich zwangsläufig das Bild eines Klempners vor meinem inneren Auge.

Workshops, Moderation und Teamcoaching auf Basis eines x-Stufen-Plans – das klingt für mich in vielen Fällen einfach zu sehr nach Methodenkoffer. Der Klempner respektive Change Manager kommt ins Unternehmen, öffnet seinen Werkzeugkoffer, klopft einmal kräftig auf das Unternehmensblech, schraubt hier und da noch an ein paar Stellschrauben – und schon ist sie da, die erfolgreiche Veränderung.

Dass die Veränderung eines ganzen Unternehmens so nicht funktionieren kann, sollte eigentlich einleuchtend sein, denn Veränderung ist kein Projekt und meist auch kein x-Stufen-Plan. Sie ist ein dynamsicher Prozess, der sich immer weiter entwickelt. Und doch investieren Firmen gewaltige Summen in Change Management Projekte und Maßnahmen, nachdem sie zuvor noch auf der gleichen Berater-Homepage lesen durften, dass 70% aller Change-Initiativen scheitern.

Als einzige Konstante im Unternehmensalltag gilt mittlerweile nur noch die Veränderung selbst.

Diese Zahl, die seit Jahren rund um das Change Management herumgeistert, ist im Übrigen empirisch kaum haltbar und sehr wahrscheinlich etwas übertrieben. Denn die Autoren der so oft zitierten Studien bieten nahezu immer Change Management auch als Methode an – und inszenieren sich so selbst als „Heilsbringer“ für die potentiell geplagten Unternehmen. Diese holen sich die vermeintliche Veränderung ins Unternehmen, ganz nach dem Motto: Wer das sogar so transparent kommuniziert, dass seine Dienstleistung in zwei Dritteln der Fälle keine Früchte trägt, der muss es einfach drauf haben.

Ihre Expertise und Qualität will ich besagten Anbietern im Übrigen keinesfalls absprechen. Doch frage ich mich grundsätzlich, was Unternehmen diese Statistik denn sagen soll. Entweder sie gehören am Ende zu den glücklichen 30%, bei denen der Wandel greift und Früchte trägt, oder sie sind wenigstens nicht allein, wenn das Change Management scheitert? Die Voraussetzungen für Veränderungsprozesse in Unternehmen sind viel zu komplex und unterschiedlich, um in diese Relation gesetzt zu werden. Sie sind komplexe Wesen – und keines gleicht dem vorherigen oder nachfolgenden.

Keine Frage: Unternehmen sehen sich immer schnelleren Veränderungen gegenüber – und müssen sich entsprechend selbst verändern. In unzähligen Publikationen hat sich eine Menge theoretisches Wissen über Change Management angesammelt. Doch was bringen diese Erkenntnisse meinem Unternehmen, wenn sich Führungskräfte dem gewonnenen Wissen verschließen und den Change-Prozess einfach outsourcen wollen? Dieser Ansatz kann so nicht funktionieren.

Was kann ich wirklich verändern? Meinen Standpunkt, mein Verhalten und meine Einstellung zum Unveränderbaren!

Außerdem fällt mir immer wieder auf: Alle sprechen darüber, was verändert werden muss. Dabei ist ihnen häufig unklar, was unveränderbar ist. Wer die festen Parameter in seinem Umfeld erkennt und sich bewusst macht, was er nicht verändern kann, hat – so seltsam das auch klingen mag – den wichtigsten Schritt im Veränderungsprozess bereits getan. Das gilt auch und ganz besonders für Unternehmen.

Die meisten Firmen machen sich viel zu selten und zu wenig bewusst, was sie nicht verändern können – und nicht verändern wollen. Häufig werden Veränderungsprozesse durch die Angst gehemmt, die Identität des Unternehmens ginge verloren. Dabei kennen die allermeisten Unternehmen ihre eigene Identität nicht, geschweigedenn das Unveränderbare an ihr.

Doch gerade letzteres ist elementar und birgt eine unglaubliche Veränderungskraft. Denn wer das Unveränderbare seiner Unternehmensidentität erst einmal bewusst ausgemacht hat, erhält einen Anker, um den herum jede noch so drastische Veränderung möglich ist. So bekommen auch die Manager, die im Change Management Prozess vorangehen sollen, etwas Greifbares, an dem sie sich orientieren und festhalten können.

Organizations don't change, people do.

Auch für die Führungskräfte gilt nämlich: Erfolgreichem Change Management geht immer eine Veränderung im Kopf voraus. Denn erkennt ein Mensch oder ein Unternehmen seinen Sinn, ist dieser eine enorme Kraftquelle für Lebendigkeit, Tatkraft und Wachstum. Leider verändern Menschen nur selten ganz von selbst ihre Sicht auf die Dinge, denn bislang hat für sie ja alles auch so gut funktioniert. Nein, Menschen lassen sich nicht ändern. Und wenn sie sich ändern, dann nur aus freien Stücken.

  • Was man am wenigsten gern wechselt, sind – neben der Behausung – die Gedanken.«

    André Gide

Um Veränderungen mitzutragen, brauchen Menschen Inspiration und Vorbilder – und im Unternehmen können das nur Chefs und Führungskräfte sein. Über Jahre wurden in der Führungsriege entsprechende Entwicklungsziele erarbeitet und dann formuliert – umsetzen sollte sie im Anschluss aber eine Stabsabteilung. Das fatale Signal an die Belegschaft: So wichtig kann das ganze für unsere Chefs nicht sein, sonst würden sie sich selbst darum kümmern.

Außerdem erliegen Manager immer wieder drei fatalen Irrtümern, wenn sie Veränderungen im Unternehmen durchsetzen wollen oder „müssen“:

  1. Druck bringt Veränderung: Übt man nur genügend Druck auf seine Mitarbeiter aus, werden diese auch ihr Verhalten ändern? Keinesfalls! Menschen sind extrem leidensfähig und ziehen sogar häufig unangenehme, aber bekannte Situationen einer Veränderung vor.
  2. Angst bringt Veränderung: Sie können Mitarbeiter bedrohen, bestrafen oder bestechen. Ihr Verhalten werden Sie so nicht ändern. Ihre Mitarbeiter werden sich nur aus Angst unterwerfen, ändern können sie sich nur aus freien Stücken.
  3. Disziplin bringt Veränderung: Disziplin der Mitarbeiter einzufordern, hilft nicht, ihr Verhalten zu verändern. Denn Disziplinlosigkeit ist immer eine Folge von fehlender Motivation. Wer motiviert ist – meist durch ein Ziel, das er sich selbst gesetzt hat – verfügt auch fast immer über die nötige Disziplin, schwierige Phasen zu überwinden.

Leider kann man niemanden dazu motivieren, seine innere Einstellung ändern zu wollen, wie der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther treffend feststellt, „aber man kann ihn einladen, ermutigen und inspirieren, eine neue Erfahrung zu machen, die ihm Freude bereitet.“

Das gilt natürlich auch für den Manager, der die beschlossenen Entwicklungsziele umsetzen und Veränderungen „vorleben“ soll. Lange Zeit wurde es versäumt, „die Fähigkeit von Managern zu stärken, Veränderung zu managen“. Doch gerade hierfür brauchen Führungskräfte wirklich die Unterstützung von außen.

Unternehmen und ihre Führungskräfte müssen zunächst selbst ihre eigene Identität entwickeln. Denn durch ein klares Bewusstsein für die eigene Identität erkennen Unternehmen und Menschen neue Möglichkeitenräume für den eigenen Erfolg – und es ermächtigt sie zu souveränen und richtigen Entscheidungen.

  • Nur wenige Führungskräfte sehen ein, dass sie letztlich nur eine einzige Person führen können und auch müssen. Diese Person sind sie selbst.«

    Peter F. Drucker

Manager, die ihre eigene Identität kennen, werden:

  1. Verständnis und Mitgefühl zeigen, wenn ihre Mitarbeiter Veränderung ablehnen oder noch Fehler machen
  2. Informationen, Unterstützung und Hilfe anbieten, wenn sich bei Mitarbeitern Widerstand aufbaut
  3. Perspektiven und Chancen aufzeigen, wenn Mitarbeiter erkennen, dass es kein Zurück gibt
  4. Kooperationen stärken, um Erfahrungsaustausch unter den Mitarbeitern und deren Neugier zu stärken
  5. Sichtbar machen, dass sie sich in ihrer eigenen Weiterentwicklung von außen unterstützen lassen und damit andere auch dazu ermutigen

Durch Geduld und Ermutigung entwickelt sich das Neue so allmählich zur Normalität – und Veränderung kann erfolgreich werden. Und das sage ich Ihnen nicht als „Heilsbringer“, sondern aus der Überzeugung, dass Identität in einer Welt der dynamischen Veränderung längst zum Kernthema geworden ist.