Ermutigung zum Angst haben

Ermutigung zum Angst haben

Angst ist gut. Angst ist sinnvoll. Angst ist toll. Denn sie kann uns davor bewahren, Fehler zu machen. Sie kann unsere Aufmerksamkeit steigern. Wenn wir sie erkennen, kann die Angst ein wertvolles Werkzeug für unseren Erfolg sein.

Angst macht klein

Wenn die Angst uns beherrscht sind wir meist weit von uns weg. Wir denken nicht klar, wir handeln nicht souverän, bringen uns um den eigenen Erfolg. Alle Menschen kennen das: Dieses Gefühl der Ohnmacht, die nicht enden wollenden Gedankenschleifen. In die Ecke getrieben vom eigenen Verstand werden wir immer schwächer.

  • Erwachsene verhalten sich plötzlich wie Kinder
  • Führungskräfte werden ungerecht und unnahbar
  • Unternehmen werden stumm und wirken menschenfeindlich
  • Profi-Sportler und -Teams versagen im Wettkampf

Das alles Symptome, dass die Angst herrscht und gewonnen hat.

Am schlimmsten wird es, wenn wir an unserem wunden Punkt erwischt werden. Das ist die Stelle, an der wir besonders verletzbar sind. Irgendwann im Leben ist er entstanden, in einer Situation, die einschneidend für uns war und in der wir uns ausgeliefert vorkamen. Wenn jemand bei uns diesen Knopf drückt, müssen wir sehr bewusst und gegenwärtig sein, um nicht in ein schwarzes Loch zu fallen oder unberechenbar zu werden.

Manchmal ist es so schlimm, dass die Angst uns aufzufressen droht. Ich nenne diesen Zustand:

„Nackt alleine im Dunkeln. Auf einem hohen Felsen, im eisigen Wind.“

Jeder kennt das Gefühl und es ist nicht schön. Vor allem macht es uns klein, weil wir uns verletzbar und klein vorkommen in einer scheinbar feindlichen Welt. Aber das muss nicht sein.

Angst essen Potential auf

In der heutigen Zeit haben viele Menschen Angst vor – objektiv betrachtet – sehr harmlosen Dingen. Nehmen wir nur die Angst vor dem Fremden, wie sie sich in der aktuellen Flüchtlingsproblematik äußert. Veränderung bedeutet immer erstmal Gefahr, denn das war früher meist gleichbedeutend mit Lebensgefahr. Unser Stammhirn simuliert sofort Todesbedrohung. Und plötzlich läuft das Programm der Angst ab, dass uns schwach macht und unser Potential vernichtet.

Das Stammhirn kennt nur drei Antworten auf Angst: Kampf, Flucht oder Einfrieren. Beobachten wir uns selbst in solchen Situationen, kennen wir alle dieses Gefühl. Je nach Persönlichkeit und Situation äußert sich die Angst als Drang wegzulaufen, das Thema zu wechseln, emotional zu argumentieren, andere klein zu machen, Schuld zuzuweisen oder eben einfach nur sprech- und handlungsunfähig dazustehen.

Das kennen wir von Menschen genauso, wie von Unternehmen: Wenn große Konzerne aus der Angst heraus agieren, sind sie für ihre Mitarbeiter, Kunden oder die Öffentlichkeit nur schwer zu ertragen. Denn Kontrollzwang, Schweigen und Schuldzuweisungen an die schlechten Rahmenbedingungen sind oft das spürbare Resultat aus der Angst. Unternehmen verstehen dann oft nicht, warum sie plötzlich angefeindet werden. Angst treibt sie in eine Unfähigkeit zur Reflexion.

In einem Fußballspiel ist das besonders gut zu beobachten. Wenn eine Mannschaft Angst hat, zu verlieren, wird sie das wahrscheinlich tun. Die Abwehr wackelt, Pässe kommen nicht mehr an. Sie wird schwach und angreifbar, alle Potentiale und Möglichkeiten sind dahin.

Angst macht mächtig

„Jene Menschen, die nach der größten Macht streben, sind oft diejenigen mit der größten Angst.“

Das hat mir mal ein weiser Lehrer aus Japan erklärt. Er meinte damit die Macht über andere, um Kontrolle und Herrschaft ausüben zu können.

Angst haben wir alle. Manche mehr manche weniger. Entscheidend ist, wie wir mit ihr umgehen. Ob wir uns der Angst bewusst stellen oder ob wir uns unbewusst in Muster treiben lassen. Männer meinen oft, sie müssten stark sein und dürften keine Angst zeigen, im Zweifelsfall kämpfen sie. Als ich eine junge Führungskraft war, hat mal eine kluge Frau zu mir gesagt: „Frauen in unserer Kultur neigen zu Perfektionismus, Männer zum Kämpfen, wenn sie unter den Druck der Angst kommen.“ Aber ist das nachhaltig Erfolg versprechend?

Ich kenne Unternehmerinnen, weibliche Führungskräfte in hohen Positionen und Mütter, die im Perfektionismus perfekt funktionieren wollen. Genauso Männer, die sich abrackern für ihre Firma und ihre Familien, weil sie glauben Kämpfen zu müssen. Sie sind alle nach den Kriterien unserer Gesellschaft sehr erfolgreich. Der Schatten dieses Handelns allerdings ist lang, viele beuten sich auf diese Weise selbst aus, ruinieren ihre Gesundheit. Bei anderen entsteht ein dumpfes Gefühl der Leere, weil das für sie eigentlich keinen Sinn macht. Es fehlt im Inneren an Leichtigkeit und Gelassenheit, weil die Angst nicht bewusst sondern unbewusst mächtig macht. Damit unsere Angst für uns eine positive Wirkung hat, müssen wir uns also bewusst sein, dass wir sie haben.

Erkenne die Angst

Was für Ängste sind das, die Menschen antreiben, vorwärtstreiben und mächtig machen? Wenn ich Unternehmen und Menschen dabei unterstütze, ihre Identität zu finden begegnen mir immer wieder verschiedene Ängste. Häufig sind sie miteinander verwoben und machen das Ganze so undurchschaubar:

  • Angst vor Unsicherheit
  • Angst vor Veränderungen
  • Angst, nicht geliebt zu werden
  • Angst vor Blamage
  • Angst, zu scheitern

Diese Ängste kumulieren dann in der Angst vor der eigenen Größe.

„Was würde passieren, wenn wir das, was uns einzigartig macht, in den Mittelpunkt stellen und keiner will das haben?“

Wir haben Angst, dass alle lachen oder dass wir damit scheitern. Dann wäre unsere Existenz als Mensch oder Unternehmen gescheitert. Und da machen wir Menschen lieber weiter, wie bisher, bevor wir die Konsequenzen tragen müssen aus der Erkenntnis, wer wir sind und was uns großartig machen könnte.

Angst macht Mut

Man kann nicht einfach mutig sein, nur weil man sich selbst das sagt. Schon gar nicht wenn andere das sagen. „Hab keine Angst“ ist selten wirkungsvoll. Mut finden wir nur in uns selbst, tief im Inneren. Dafür müssen wir uns der Angst stellen, sie angucken, sie durchleuchten. Noch schlimmer, wir müssen sie sogar durchleben. Denn der Schlüssel zum Mut ist unter der Angst. Wir finden ihn in unserer Identität, mit all ihrer Einzigartigkeit und ihrem Beitrag zur Welt. Meine Erfahrung ist: Wenn ein Unternehmen oder ein Mensch den Sinn seiner Existenz kennt, entsteht Mut. Soviel Mut, dass er zu großen Taten inspiriert.

Das schönste an der Angst ist also, dass sie uns lehren kann, mutig zu sein. Wenn wir sie annehmen indem wir uns selbst annehmen – genau so, wie wir sind. Ein Klient hat mal zu mir gesagt:

„Das Schönste ist, seit ich meine eigene Identität kenne, ist zu wissen, dass ich OK bin. Ich brauche keine Angst mehr zu haben, denn ich kenne meinen Beitrag.“

Im täglichen Leben können wir unsere Angst durch Aufmerksamkeit und Achtsamkeit erkennen und entkräften. Das gelingt umso besser, umso mehr wir uns selbst kennenlernen, unsere Eigenheiten und Besonderheiten aber auch unsere Verletzbarkeiten.

Ich habe Unternehmen begleitet, die große Krisen gemeistert haben. Sie haben sich ihrer Angst gestellt und sind mutig geworden, weil sie ihre Identität erkannt haben. Sie wussten plötzlich, was sie stark macht und warum die Welt sie braucht. Als die Krise überwunden war, hat der Vorstandsvorsitzende hat gesagt: „Das haben wir von Ihnen gelernt, dass man aus eigener Kraft heraus erfolgreich sein kann. Ohne auf die anderen gucken zu müssen“

Es sind also Erfahrungen, die wir brauchen. Selbsterfahrungen, Krisen, Angsterfahrungen, damit wir lernen, mutig zu sein in Situationen, die uns früher Angst gemacht haben. Dabei hilft es natürlich, einen Spiegel zu haben, einen guten Berater, Coach oder Unternehmensentwickler, der uns ermutigt und inspiriert. Denn die eigenen Identität zu kennen, ist die größte Kraftquelle für den Mut, denn die Angst nimmt uns niemand von außen weg – das können wir nur selbst.